Fußballer vor Gericht

In den 1920er Jahren fanden in Wien nahezu wöchentlich Gerichtsverhandlungen nach Anzeigen von gefoulten Spielern statt. Es gab Schuld- und Freisprüche, wobei eine Verhandlung im Jahre 1926 jedoch durchaus interessant verlief.

Am Christtag des Jahres 1925 sorgte ein Meisterschaftsspiel zwischen Hakoah Wien und dem Floridsdorfer A.C. für einen gehörigen Wirbel (Spielbericht weiter unten) in mehrfacher Hinsicht.
Ernö Schwarz trat knapp vor Spielende den Floridsdorfer Tormann Hofer nieder und traf diesen offensichtlich genau auf die Zentralschraube – dezent ausgedrückt in die Familienplanung – so dass sich dieser Tritt zu einer passablen Rauferei entwickelte.

Der gefoulte und dabei verletzte Goalie zeigte den Vorfall an und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Körperverletzung. Sie beschuldigte Schwarz, er sei ein "notorisch unfairer Spieler" und das Foul erfolgte somit vorsätzlich. Man sah sich also vor dem Strafrichter des Bezirksgerichtes I wieder.
Landesgerichtsrat Dr. Fryda als Richter definierte sich bemerkenswerterweise während der Verhandlung als Fußballfachmann. Ihm sei der Spieler Ernö Schwarz zwar nicht als der allerfairste, aber keinesfalls als unfairer Spieler bekannt.
Der Tormann der Floridsdorfer beharrte jedoch darauf, dass Schwarz ihn absichtlich in die delikate Körperregion getreten habe. Auch der damalige Schiedsrichter Kienzl belastete den Angeklagten schwer.
Richter Fryda sprach Schwarz vom Vorsatz in weiterer Folge überraschend frei.
Mit dem Fußballspiel ist ein gewisses Maß an Risiko sowohl für den Angreifer als auch für den Angegriffenen verbunden. Es liege zwar eine Regelwidrigkeit vor, die aber durch das Strafgesetz nicht zu ahnden sei, so Richter Fryda in seiner Urteilsbegründung.

Zum Spiel selbst:
Am 25.12.1925 trafen  in der Wiener Krieau (!) im Rahmen der Meisterschaft Hakoah Wien und der F.A.C. (Floridsdorfer A.C.) aufeinander. Beide Vereine waren weit über Wien hinaus für eine eher rustikale Spielweise bekannt. Also wurde schon Tage zuvor an die Spieler und an die Vereinsleitungen appelliert, gerade am Christtag zumindest einen Hauch von Weihnachtsfrieden zu zeigen.
Dem Wiener Illustrierten Sportblatt  vom Jänner 1926 ist zu entnehmen, dass man vom Weihnachtsfrieden jedoch weit entfernt war.
Zitat:„…..Vor den Augen des unbefangenen Zuschauers spielte sich eine wahre Wildwestszene ab, die aus kleinen Plänkeleien – darunter sind die üblichen Ohrfeigenszenen zu verstehen, die sich vom Spielfeld in den Zuschauerraum verpflanzten – entstand und zu einer wahren Orgie ausartete. Zuerst gab es einmal eine Kontroverse zwischen Iszda und Guttmann, darauf folgten einige „distinguierte“ Herren im Stadtpelz auf der Tribüne dem Beispiel und balgten sich untereinander. Der Stand von 1:0 für Hakoah hatte eben bei den Fanatikern in beiden Lagern ihre Wirkung getan. Warum sollte dann der Stehplatzraum hinter den anderen zurückstehen? Auch dort gab es bald Keilerei auf Keilerei.......
Ein harte Attacke des Hakoah-Stürmers Ernö Schwarz an den F.A.C.-Goalie Hofer wenige Sekunden vor Spielende brachte das Fass dann zum Überlaufen.
Zitat:“…Mit einem Male war eine ernstlich besorgniserregende Situation geschaffen, wie sie auf einem Fußballfelde in Wien bisher noch nie gesehen wurde….“
Das Spiel endete vor 5.000 Zusehern jedenfalls mit einem 2:1 (0:0) Sieg von Hakoah.

Hakoah wurde übrigens in der Saison 1924/25 Meister der neu gegründeten Österreichischen Profi-Liga. Eigenartigerweise belegte in dieser Profi-Liga der Wiener Amateur-SV den 2. Platz.

 

Sehr interessant war dann der weitere Weg von Ernö Schwarz:
http://de.wikipedia....ki/Ernö_Schwarz

Hakoah Wien: http://de.wikipedia..../SC_Hakoah_Wien

Meisterschaft 1924/25: http://de.wikipedia....rschaft_1924/25